Freitag, 29. Februar 2008

Wohlgesinnte Rezensionen?

Eben habe ich noch ein wenig in den Rezensionen über Jonathan Littells Die Wohlgesinnten gestöbert. Einen sehr guten Überblick bietet ein weiterer Artikel Klaus Theweleits, diesmal in der Taz erschienen. Hier zeigt Theweleit, dass nicht alle Kritikerinnen des deutschsprachigen Feuilletons mit einer Stimme sprechen. Außerdem sollten sich alle Interessierten den Reading Room der FAZ ansehen.

Iris Radisch watscht den Roman in der Zeit auf ganzer Linie ab. Die sprachliche Qualität sei schlecht bis miserabel, dazu der Schreibstil primitiv. Littell leiste mit seinem Roman weder einen Beitrag zum Verständnis der Täterseele noch böten seine "detail- und dokumentengetreuen" Darstellungen der NS-Verbrechen etwas Neues zur Geschichtsforschung. Ein ähnlich dämliches Argument des Historikers Ulrich Herbert zitiert auch Klaus Theweleit in seinem FAS Artikel: Littells Roman würde nichts Neues zur Forschung beitragen. Nun, das ist doch einmal ein schlagendes Argument gegen einen Roman! Und das von einem Historiker. Ist es nicht dessen Fachgebiet wissenschaftliche Forschung zu betreiben und neue Erkenntnisse zu gewinnen. Ein Romancier bedient sich dieser als Quelle und Inspiration, wird aber wohl kaum Neues zur Forschung beitragen. Dies zu fordern ist schon ein ziemlicher Unsinn!

Zwar sind sich fast sämtliche Kritiker darin einig, dass es sich um einen grässlichen, grauenvollen und pornographischen Roman handelt. Alle die das Buch gelesen haben fühlen sich abgestoßen und angewidert, doch liegt doch gerade auch darin der Zweck und das Ziel des Romans. Warum sonst wird aus der Perspektive des SS-Offiziers berichtet. Das hier kein Held sondern allenfalls ein ekelhafter Antiheld als Protagonist auftaucht müsste jedem klar sein!

Vielleicht zeichnen am Falle dieses Romans gerade die abwehrensten Haltungen viel mehr ein Bild deutscher Verdrängungsmechanismen, als dass sie ein qualitativ gutes Urteil bieten. So würden zum Beispiel die ersten 300 Seiten sehr wohl verdeutlichen wie eng der Zusammenhang zwischen Judenvernichtung und militärischen Operationen war. Dies bleibt jedoch fast überall unerwähnt. Wollen vielleicht einige lieber an der strikten Trennung von Vernichtung und Wehrmachtskrieg festhalten?
Eine weitere weitere Schwierigkeit bereitet einigen Lesern wohl, dass Max Aue, der erzählende SS-Offizier, nicht als scheußlich rohes Mordmonster, sondern als gebildeter Charakter gezeichnet wird. Widerspricht dieses Bild so sehr dem Wunschbild eines sadistischen Täters, mit dem man sich viel leichter abfinden könnte? Iris Radisch schreibt, Max Aue sei eine völlig unrealistische fiktive Darstellung. Einen SS-Offizier wie Max Aue hätte es nicht gegeben. Mag sein! Sicherlich ist er konstruiert und sicherlich spiegelt er bestimmt nicht "den Prototypen" eines NS-Verbrechers. Aber sind es nicht gerade die abstoßenden Widersprüche die uns Leser zur eigenen gedanklichen Arbeit verleiten?

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Hier habe ich noch ein paar weitere Beiträge zum Buch zusammengestellt. Bei Gelegenheit werde ich auch hier auf den einen oder anderen noch eingeben:

Klaus Harpprecht, Der verklärte »Boche«

Harald Welzer, Am Ende bleibt die Faszination

David Hugendick, «Und wann kommen die Nazis?»

Thomas Steinfeld, Ein schlauer Pornograph

Georg Klein, Die Bosheit der Toten

Wolfgang Schneider, In der Seele eines Täters

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