Freitag, 29. Februar 2008

Wohlgesinnte Rezensionen?

Eben habe ich noch ein wenig in den Rezensionen über Jonathan Littells Die Wohlgesinnten gestöbert. Einen sehr guten Überblick bietet ein weiterer Artikel Klaus Theweleits, diesmal in der Taz erschienen. Hier zeigt Theweleit, dass nicht alle Kritikerinnen des deutschsprachigen Feuilletons mit einer Stimme sprechen. Außerdem sollten sich alle Interessierten den Reading Room der FAZ ansehen.

Iris Radisch watscht den Roman in der Zeit auf ganzer Linie ab. Die sprachliche Qualität sei schlecht bis miserabel, dazu der Schreibstil primitiv. Littell leiste mit seinem Roman weder einen Beitrag zum Verständnis der Täterseele noch böten seine "detail- und dokumentengetreuen" Darstellungen der NS-Verbrechen etwas Neues zur Geschichtsforschung. Ein ähnlich dämliches Argument des Historikers Ulrich Herbert zitiert auch Klaus Theweleit in seinem FAS Artikel: Littells Roman würde nichts Neues zur Forschung beitragen. Nun, das ist doch einmal ein schlagendes Argument gegen einen Roman! Und das von einem Historiker. Ist es nicht dessen Fachgebiet wissenschaftliche Forschung zu betreiben und neue Erkenntnisse zu gewinnen. Ein Romancier bedient sich dieser als Quelle und Inspiration, wird aber wohl kaum Neues zur Forschung beitragen. Dies zu fordern ist schon ein ziemlicher Unsinn!

Zwar sind sich fast sämtliche Kritiker darin einig, dass es sich um einen grässlichen, grauenvollen und pornographischen Roman handelt. Alle die das Buch gelesen haben fühlen sich abgestoßen und angewidert, doch liegt doch gerade auch darin der Zweck und das Ziel des Romans. Warum sonst wird aus der Perspektive des SS-Offiziers berichtet. Das hier kein Held sondern allenfalls ein ekelhafter Antiheld als Protagonist auftaucht müsste jedem klar sein!

Vielleicht zeichnen am Falle dieses Romans gerade die abwehrensten Haltungen viel mehr ein Bild deutscher Verdrängungsmechanismen, als dass sie ein qualitativ gutes Urteil bieten. So würden zum Beispiel die ersten 300 Seiten sehr wohl verdeutlichen wie eng der Zusammenhang zwischen Judenvernichtung und militärischen Operationen war. Dies bleibt jedoch fast überall unerwähnt. Wollen vielleicht einige lieber an der strikten Trennung von Vernichtung und Wehrmachtskrieg festhalten?
Eine weitere weitere Schwierigkeit bereitet einigen Lesern wohl, dass Max Aue, der erzählende SS-Offizier, nicht als scheußlich rohes Mordmonster, sondern als gebildeter Charakter gezeichnet wird. Widerspricht dieses Bild so sehr dem Wunschbild eines sadistischen Täters, mit dem man sich viel leichter abfinden könnte? Iris Radisch schreibt, Max Aue sei eine völlig unrealistische fiktive Darstellung. Einen SS-Offizier wie Max Aue hätte es nicht gegeben. Mag sein! Sicherlich ist er konstruiert und sicherlich spiegelt er bestimmt nicht "den Prototypen" eines NS-Verbrechers. Aber sind es nicht gerade die abstoßenden Widersprüche die uns Leser zur eigenen gedanklichen Arbeit verleiten?

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Hier habe ich noch ein paar weitere Beiträge zum Buch zusammengestellt. Bei Gelegenheit werde ich auch hier auf den einen oder anderen noch eingeben:

Klaus Harpprecht, Der verklärte »Boche«

Harald Welzer, Am Ende bleibt die Faszination

David Hugendick, «Und wann kommen die Nazis?»

Thomas Steinfeld, Ein schlauer Pornograph

Georg Klein, Die Bosheit der Toten

Wolfgang Schneider, In der Seele eines Täters

Donnerstag, 28. Februar 2008

Jonathan Littells, Die Wohlgesinnten

Das wohl momentan meistdiskutierte und am schlimmsten verrissene Buch im deutschen Feuilleton ist Jonathan Littells Roman Die Wohlgesinnten (oder hier die Website des Buches), der die fiktive Lebensgeschichte eines SS-Offiziers erzählt. In den letzten Wochen habe ich eine ganze Reihe Rezensionen darüber gelesen und die fast alle Rezensenten sind sich einig: dieser Roman taugt nichts, wie konnte das Buch in Frankreich ein solcher Erfolg sein!
Mit den verschiedenen Rezensionen will ich mich hier in den nächsten Tagen noch einmal auseinandersetzen. Ich hoffe, ich habe nicht alle schon dem Altpapier überlassen bzw. finde sie im Netz wieder.

Der eigentliche Auslöser, das Buch, trotz der schlechten Kritiken doch lesen zu wollen, war eine Rezension von Klaus Theweleit in der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung. Zwar fand auch er die Lektüre quälend, zeigt jedoch ein paar Aspekte des Romans auf, die mein Interesse wecken.

Zwar kann ich mir gut vorstellen, dass auch ich wenig Gefallen an Littells Roman finden werde, um dies jedoch herauszufinden, habe ich mir das Buch heute besorgt! Ich werde dann also in den nächsten Tagen und Wochen ein wenig darüber berichten. Das kann bei 1400 Seiten allerdings etwas dauern, da ich mich nicht gerade als Schnellleser bezeichnen würde. Das liegt zum einen daran, dass ich einfach nicht besonders schnell lese. Und das andere: ich verbringe meist nur einen kleinen Teil meiner Lesezeit mit Belletristik. Muss schließlich studieren, nebenbei auch noch das eine oder andere Sachbuch zur Selbstbildung lesen und außerdem auch tagespolitisch auf dem Laufenden bleiben! Es ist schon ein Kreuz, so viel zu tun.... Na ja, ich werd mich jedenfalls dran versuchen und in gewohnter Manier hier meinen Senf dazu geben!

Bücher vernichten?

Ein Studentenleben heutzutage ist nicht billig. Daher muss nebenbei auch noch ein bisschen Broterwerb betrieben werden, was in meinem Fall ein Minijob im Buchhandel leistet. Und dort kommt es dann hin und wieder vor, dass größere Mengen von Büchern einfach weggeworfen und vernichtet werden. Eigentlich ist das doch ein Verbrechen! Bücher darf man zum Beispiel vergessen, man darf sie verlegen oder verschenken, aber vernichten, das eigentlich nicht.
Doch trotzdem, wenn sich irgendwann der Bodensatz aus einer Reihe von mehreren Mängelexemplaraktionen - das sind die Bücher die immer für günstig Geld und trotzdem meist ganz ohne Schaden in den Eingangsbereichen der Buchhandlungen oder in speziellen Modernen Antiquariatsgeschäften, in großen Wühlkisten zu finden sind - gebildet hat, hilft oft auch weiteres runterzeichnen nichts mehr. Die Bücher will dann wirklich keiner haben.

So war auch heute wieder mal so eine Wegwerfaktion angesagt! Und obwohl ich weiß, die Schwarten sind echt der letzte Schrott - und das waren sie! - kann ich es niemals lassen, noch jeder Handvoll Bücher auf die Rücken zu gucken und kurz die Titel und Autoren zu überfliegen. Billigster Fantasieschund, Ratgeber von Ratlosen, Sandra, die Hexe, Leidensgeschichten und anderer Driss! Doch jedesmal muss ich dann wieder das eine oder andere Buch herausziehen, bei dem es mir nicht gelingen will es einfach wegzuwerfen. Diesmal: Everymen von Philip Roth, Gedichte von Thomas Gsella, Lessings Nathan der Weiße, Stücke von Péter Nádas und dann noch je eins von William Gibson sowie Bruce Chatwin.

Große Freude hat es dagegen gemacht eine ganze Reihe von Büchern eines gewissen Wolfgang Schäuble in die Papierpresse zu schleudern, denn die sind doch wirklich kein Verlust! Darüber scheinen sich die Menschem auch zunehmend im Klaren zu sein, denn die waren dann doch überdurchschnittlich oft vorhanden.

Mittwoch, 27. Februar 2008

Spex-Interview mit Claude Lanzmann


In der aktuellen Spex-Ausgabe (Nr. 313, März/April) gibt es ein umfangreiches Interview mit Claude Lanzmann, dem Regisseur des 9 stündigen Holocaust-Dokumentarfilmes Shoah. Das war auch der Anlass wieso ich mir die Ausgabe gekauft habe und es hat sich mehr als gelohnt. Ich selbst habe den Film zwar noch nicht gesehen, will es aber nach der Lektüre des Interviews bald möglichst machen. Anlass des Gesprächs war die gerade erschienene DVD-Fassung, daher wird es sich hoffentlich demnächst einrichten lassen.
Schon das Interview vermittelt einiges der Unfassbarkeit der Ereignisse. Lanzmann spricht mit der Spex über seine Bekanntschaft mit Jean-Paul Sartre und Simone de Beauvoir, mit der er später verheiratet war, über seinen ersten Film Warum Israel, die Wahl des Namens 'Shoah' für das Filmprojekt und natürlich über das Drehen und den Film selbst.
Der Name 'Shoah', was im Hebräischen Naturkatastrophe bedeutet war zur Entstehung des Films im Nichthebräischen Raum noch unbekannt. Ein nichtssagender Name schien Lanzmann für das Unfassbare, Unbennennbare am besten geeignet. Außerdem erklärt er sehr einleutend, dass er den Begriff 'Holocaust', was im Hebräischen Opfergabe bedeutet, für den Film ungeeignet fand. Für ihn ein unverzeihlicher Fehler.

Die Liebe in Zeiten der Cholera...

...oder: Wie Babyface Romeo zum Don Juan wurde! Weltliteratur oder nur eine megakitschige Schmachtschmonzette? Gut, ich habe das Buch nicht gelesen, nur gestern den Film gesehen. Daher darf ich an dieser Stelle nicht über den gleichnamigen Roman von Gabriel García Márquez urteilen, der ganz ohne Zweifel ein herausragender Schriftsteller bedeutender Werke ist. So urteile ich hier nur über den Film den ich gestern gesehen habe.
Ort der Handlung ist Kolumbien Ende des 19. und zu Beginn des 20. Jahrhunderts unter Kolonialverwaltung. Und die Story lässt sich auf den einen Nenner "rührselige Kitschromanze" zusammenfassen. Das edelmütige Muttersöhnchen Florentino verliebt sich in Fermina, die Tochter eines dumpfbackigen, tyrannischen Maultierhändlers der leider trotz oder vielleicht gerade wegen seines schlechten Charakters zu einigem Kapital gekommen ist. Dieser Vater bildet sich, ganz nach den gängigen Klischeebildern über Proletariatsreichtum, natürlich ein, seine Tochter müsse in die Aristokratenliga einheiraten um der Familie den ihr nun gebührenden Platz in der Gesellschaft zu sichern. Da kommt so ein lumpiger Schreiber eines Telegraphenamtes natürlich nicht in Frage, so wird alles unternommen um den Beiden die Liebe, die unerträglich und unsterblich geworden ist, obwohl sie sich bisher nur ein paar Briefe hin und her geschoben hatten, zu verwehren. Er schleppt seine Tochter auf's Land zu Verwandten wo sie ihren romantischen Quatsch vergessen soll!
Das macht Fermina dann auch nach gewisser Zeit, Florentino wird ihr in seiner unerschütterlichen Liebe unheimlich und zum 'Schatten'. So heiratet sie dann irgendwann lieber einen wohlhabenden Arzt 'der so gut riecht'! Nicht so unser Romeo, für ihn ist das Leben nur noch eins: die Liebe zu seiner 'gekrönten Göttin' (haha)! So frisst die Sehnsucht an ihm, er wird älter und älter, jedoch spart er sich auf, für den Tag an dem sie endlich die seine ist. Bis seine Mutter eingreift, die irgendwann das Unglück ihres Sohnes nicht länger ertragen kann, ihn von seinem Onkel, der Präsident der Flussschifffahrtsgesellschaft ist, an einen Ort, weit im landesinneren versetzen lässt.
Unterwegs auf dem Schiff kommt es zum Wandel: Der keuscher Romeo wird doch tatsächlich das Opfer einer schandhaften Nymphomanin, dei ihn in ihre Kammer zerrt und ganz dreist vergewaltigt! Was ihm nicht schlecht zu gefallen scheint, versucht er doch später im hin und her Wandeln vor besagter Kabine, die Situation zu wiederholen. Leider ohne Erfolg, die drei Schönheiten die sich dort einquartiert hatten gehen von Bord ohne wieder zuzuschlagen.


Auf geht's zurück, mit Schuldgefühlen geplagt, in die Nähe seiner Angebeteten! Dort wird jedoch bald seine andere Seite geweckt, denn auch in ihm steckt ein rechter Lüstling. So kommt er bis in hohe Alter, fit und aktiv, auf über 600 flachgelegte hübsche Damen, worüber er von Beginn an gründlich Buch führte. So geht's dann fort, sein Leben und das ihre (Ferminas), bis deren Arzt dann doch am Ende vor ihr stirbt - übrigens in einer Szene die auch am Anfang des Filmes steht - und Florentino seinen Tag gekommen sieht. Kurzum schmeißt der 72 jährige die nackte 20 jährige Schönheit aus seiner Hängematte um zur frischen Witwe zu eilen und seine ewige Liebe zu gestehen. Die schmeißt ihn raus und ist empört, was auch sonst. Doch mit seinen Briefen die er ihr in der Folgezeit schreibt gewinnt er erneut ihr Herz, so dass die Liebenden am Ende vereint auf einem seiner Schiffe - mittlerweile hat Florentino die Positon seines Onkels eingenommen und ist damit zu einigem Wohlstand gekommen - romatisch in der Kiste liegen und ewig durch die wunderschönen Landschaften Kolumbiens fahren können! Über das Boot hat der Kapitän extra die Choleraflagge gehisst, so dass die Reise ohne Passagiere und ohne Zwischenstop gehen kann. Hach, wie schön!

Und die Essenz von der Geschicht'? Dass Beharrlichkeit zum Ziele führt!? Na schönen Dank! Auf ein Ziel wie es im Film dargestellt wird, am Lebensende dann doch endlich die Erfüllung zu finden in Vereinigung mit dem ewigen und einzigen Objekt des Verlangens? Nö, viel zu langweilig! Dann doch lieber Erfüllung auf andere Art. Viel mehr ist es ganz schön erschütternd, wie Florentino dann am Ende endlich seine 'gekrönte Göttin', die nackte Fermina, vor sich stehen hat, die dann natürlich ihre Schönheit schon verloren hat. Und auch das zweisame Glück wird nur noch von kurzer Dauer sein.

Daneben streut der Film, entsprechend des Titels noch gelegentlich Sekundeneinblicke in die Zeiten und Schreckens des Bürgerkrieges und der Cholera mit ein. Schließlich muss der Name auch irgendwie noch seinen Sinn tragen. Dies jedoch wirklich nur in winzigen Passagen, es würde ja sonst das herzblutende romantische Gefühl der Zuschauer zu sehr belasten. Wie weit diese Thematik in Márquez' Roman vertieft wird weiß ich nicht und werde es wohl auch nie erfahren. Mit persönlich reicht der gestrige Einblick in das Leben Florentinos und Ferminas. Da nehme ich mir dann doch lieber demnächst das schon lange bei mir auf der Warteliste stehende Hundert Jahre Einsamkeit vor!

Wem der Sinn nach Schmacht und Schmotz steht sollte sich Die Liebe in Zeiten der Cholera ansehen, allen anderen ist dann doch vielleicht eher abzuraten (denen wird meine doch recht ausführliche Zusammenfassung sicherlich ausreichen), da auch die schauspielerischen Leistungen starkt zu wünschen übrig lassen. Wirkt alles sehr gestellt und künstlich. Gefühle werden nur klischeehaft dargestellt. Für Bollywood-Fans jedoch bestimmt genau das Richtige!

Sonntag, 24. Februar 2008

Musiktipp des Tages!

The DøOn My Shoulders

Viel Spass beim Hören! Auch die anderen Songs der Band kann ich nur empfehlen. Hier gehts zum myspace-Profil.

Freitag, 22. Februar 2008

Hagen Rether über Islambashing



Da teilnehmendes Beobachten nicht nur aus Lesen und Hören besteht, sondern auch das Sehen eine große Rolle spielt, hier mal wieder ein wirklich sehenswertes Video! Es ist Comedy aber leider auch sehr wahr, worüber Hagen Rether hier mit zynischer Komik berichtet.

Dienstag, 19. Februar 2008

Hörbuchnotizen, Spieltrieb

Neben dem Lesen nimmt noch eine andere Art der Literaturverarbeitung eine immer wichtigere Rolle ein. Diese ist zum einen meist schneller, bequemer und dank immer besserer Umsetzung auch zunehmend genussvoll. Hörbücher gehören genauso zur Literatur wie bedrucktes Papier. Daher will ich hier auch von meinen Erlebnissen beim mehr oder weniger aufmerksamen Lauschen berichten.

Juli Zeh "Spieltrieb"

Dieses Hörbuch war das letzte das ich hörte. Ich wollte das Buch schon seit Jahren mal lesen, hab's dann aber doch immer gelassen mir zu kaufen, da ich ohnehin von einen stets wachsenden to-do Bücherstapel bedroht werde. Also wartete ich und wartete bis mir das Buch früher oder später irgendwann einmal aus einer Mängelexemplar-Kiste entgegenspringen würde. Dies geschah bisher nicht. Dafür hatte ich aber vor kurzem bei einer Bekannten das Hörbuch entdeckt und mir natürlich gleich ausgeliehen.

Das Hörbuch besteht aus 4 CDs und wird durchgehend von der Schauspielerin Sascha Maria Icks mit sehr angenehmer Stimme gelesen. Dies allerdings ziemlich schnell. Anfangs brauchte ich eine Weile bis ich mich an das rasante Lesetempo gewöhnt hatte, da auch die Szenen der Handlung oft ein wenig springen. Aufmerksames Zuhören ist also Pflicht. Und selbst so werde ich mir einiges bestimmt wiederholt anhören müssen.

Die Story selbst und somit der Roman hat mich sehr fasziniert. Die Geschichte im groben kannte ich bereits, schließlich wollte ich das Buch seit Jahren einmal lesen und hatte in dieser Zeit einiges darüber gehört. Protagonistin ist die zum Beginn der Geschichte 13-jährige Ada. Ort der Handlung ist das Ernst-Bloch-Gymnasium in Bonn. Weitere wichtige Personen sind: Alev, ein Mitschüler Adas, Höfi und Smutek, Geschichts- bzw. Deutsch- und Sportlehrer. Daneben noch einige Nebenrollen, wie Adas Eltern, der Schulleiter sowie die Mitschüler Olaf und Odetta.

Ada ist eine unglaublich eloquente und hochintelligente Einzelgängerin. Völlig kühl betrachtet sie ihre Mitmenschen, ihr Leben und sich selbst. Gefühlregungen meint man bei ihr nicht zu finden, sie selbst sagt von sich, sie habe so etwas wie eine Seele nicht. Erst als Alev zum neuen Schuljahr, nun in der Oberstufe, in ihre Klasse kommt, findet sie diesen interessant genug, dass sich eine Art Freundschaft entwickelt. Olaf, ein Typ aus einer Außenseiterclique und Bandmitglied, mit dem sie zuvor eine kurze Beziehung hatte, war für sie mehr ein Objekt, an dem sie sexuelle Erfahrungen machen konnte. Alev scheint ein ähnlicher Charakter zu sein, was ihn ihr interessant macht. Auch er ist sehr intelligent und inszeniert sich im Unterricht von Beginn als als Außenseiter und Provokateur. Die beiden beginnen mit provozierenden Kommentaren mit dem Lehreren zu spielen. Besonders mit dem Geschichtslehrer Höfi, dem das geistige Kräftemessen gefällt.
Alev ist es dann auch der ihr von seinen Spieltheorien erzählt und sie auffordert ein gemeinsames "Spiel" mit dem Lehrer Smutek zu spielen. Er gewinnt sie schließlich dafür, indem er ihr ein paar Vorhersagen macht, und er dann das Geschehen so arrangiert, dass diese auch eintreten. Die beiden entschließen sich Smutek zu verführen, die Situation mit der Kamera einzufangen um ihn dann in der Hand zu haben, was ihnen dann auch gelingt.
Ada hatte zuvor auf einem Schulurlaub Smuteks, zunehmend von einer psychischen Krankheit geplante Frau, aus einem gefrorenen See gerettet. Seitdem fühlt sich Smutek auf irgendeine Weise für Ada verpflichtet und zu ihr hingezogen. So ist es für sie leicht, ihn für Alevs "Spiel" zu gewinnen und ihn sexuell zu verführen.

Während dieses Spiels zeigen sich bei Ada jedoch doch gewissen emotionale Regungen. Alev dagegen bleibt völlig kalt, ihm bereitet sein eigener zynischer Sadismus offensichtliche Freude. Sie dagegen empfindet zunehmend Mitlied mit Smutek und will ihn aus diesem Spiel herausholen. An einer anderen Stelle ist ein Anflug von Eifersucht auf Odetta zu erkennen, als sie vermutet Alev, der von sich selbst behauptet impotent zu sein, könnte auch zu ihr eine enge Freundschaft pflegen. Um Smutek zu retten, will Ada aus dem Spiel aussteigen. Alev will sie zum weiterspielen zwingen, woran sich zeigt, dass ihm das Spielen die einzige Erregung bereitet, während auch Ada für ihn kaum mehr als eine Figur auf seinem geistigen Schachbrett ist.
Ada kommt jedoch nicht mehr zu den erpressten Verabredungen mit Smutek, woraufhin dieser, von Ada bereits über ihren Ausstieg informiert, seine gewonnene Stärke erkennt und Alev verprügelt. Auch dieses Ende des Spiels scheint Alev als interessante Überraschung und Wendung zu betrachen und unternimmt nichts um sich zu wehren.

Es kommt zur Gerichtsverhandlung, bei der sowohl Alev als auch Smutek angeklagt sind. Ada, als das sexuell misshandelte Opfer nimmt bloß eine Zeugenrolle ein. Die Richterin Sophie, die vor Beginn der Verhandlung kurz vorgestellt wird, erweist sich in der knappen Charakterisierung als eine ähnlich gefühlskalte und nihilistische Person wie Ada, was für den Ausgang der Verhandlung von entscheidender Rolle ist. Nachdem Ada eine vorbereitete und durchdachte Aussage macht, die viel mehr einem Plädoyer ähnelt, ist die Richterin so von der Sache fasziniert, dass sie die beiden Angeklagten mit jeweils viel zu geringen Strafen in die Freiheit entlässt.

Nun das Ende: Ada trifft Alev ein letztes Mal. Beide versichern sie sich, sie hätten auf ihre je eigene Art, einander geliebt. Alev wird das Land verlassen und woanders weiter aus die Schule gehen. Er beabsichtigt weiterhin seine sadistischen Spiele mit Menschen zu spielen und prophezeit ihm und Ada ein Wiedersehen falls diese mit 40 noch immer allein sei. Smutek und Ada dagegen fühlen sich einander durch die Geschichte verbunden, er jedenfalls liebt sie, was sie für ihn empfindet bleibt offen. Liebe ist es jedenfalls sicherlich nicht. Vielleicht die kleine Hoffnung dem Leben doch noch eine Seele entlocken zu können. Die beiden brennen gemeinsam durch und verschwinden in den weiten der Welt!

Soviel zum Inhalt, es bleibt die Bewertung: Die Story ist faszinierten, intelligent, erschreckend und fesselnd zugleich. Wie in den meisten literarischen Darstellungen von Kindern und Jugendlichen werden zwar Ada und Alev reichlich unrealistisch für das entsprechende Alter gezeichnet, aber das kann der Faszination der Geschichte keinen Abbruch tun. Jugendlich handelt Ada außerdem allemal, auch wenn ihre Eloquenz und ihr Scharfsinn mit überdurchschnittlicher Intelligenz nicht zu erklären sind. Trotzdem, die Radikalität ihres Denkens, ihr Absolutheitsanspruch der eigen Wahrnehmungswelt, sind einem jugendlichen Geist durchaus typisch. Nihilismus als eine jugendliche Tugend?

Freitag, 15. Februar 2008

Aktuelles Buch: So viel Zeit


Nebenbei habe ich vor ein paar Tagen mit der Lektüre von Frank Goosens neuem Roman So viel Zeit begonnen. Nach mehreren "Altherrenbüchern" musste jetzt mal wieder "Popliteratur" her! Obwohl ich mir jetzt, nach hundert Seiten, doch nichtmehr so ganz sicher bin, ob es nicht trotzdem eine Geschichte von angehenden Altherren ist, die Goosen hier erzählt. Nein, so schlimm ist's nicht, und das Buch läßt sich auch ganz gut an. Es geht um ein paar Jugendfreunde, die jetzt mitten in den Vierzigern stecken, beruflich zwar fast alle erfolgreich aber im Privaten teilweise ziemlich frustriert sind. So kommt es, dass sie zunehmend von der berüchtigten Midlife Crisis gebeutelt werden und sich bei ihren rituellen Doppelkopfabenden in den Kopf setzen, sie sollten es vielleicht doch nochmal mit ihrer Jugendidee einer Rockband versuchen. Auf geht's - Schotter haben die meisten von ihnen genug - zum nächsten Musikladen und Equipment kaufen.

Was daraus wird, wir werden sehn. Ein Problem haben die Freunde Konni, Rainer, Bulle und Thomas, der etwas jünger als die anderen ist und nicht zur unsprünglichen Jungendclique gehört, jedoch: Ole, der ehemalige Mittelpunkt des Freundeskreises ist weg, in Berlin, und die anderen haben schon eine ganze Weile nichts mehr von ihm gehört. Und eine richtige Rockband besteht nicht aus Vieren, sondern hat 5 Members!

Wie zuletzt beim neuen Philip Roth, werde ich wieder in lockerer Folge in einem Lesetagebuch eine kurze Inhaltsangabe und meine sonstigen Erlebnisse bei der Lektüre notieren.

Grad hab ich hier beim Literatur-Café noch ein Podcast zum Buch gefunden. Frank Goosen im Interview auf der Buchmesse 2007. Außerdem bei Focus Online eine sechsteiliger Viedopodcast über den Roman und Aufnahmen, die den Autor beim Vorlesen im Studio zur Hörbuchausgabe zeigen.

[weiter zu Teil 2]

Musikerlebnisse der Woche

In der zurückliegenden Woche gab's gleich zwei wunderbare Konzerte zu bestaunen. Zuerst am Montag die Indie-Popband Stars im Gloria und gleich danach am Dienstag, im Rex am Ring Kino Rocky Votolato. Beide Konzerte waren ziemlich toll!

Das Gloria war schon recht voll, doch dank der leicht stufig abfallenden Theater-Arena hatten wir einen Platz, von dem aus die ganze Bühne schön zu überblicken war. Selten so gute Sicht gehabt auf Konzerten! Bin halt doch nicht so der Riese. Gespielt wurde vor allem die letzte Platte In our bedroom after the war, aber auch einige ältere Stücke. Die Band fands anscheinend auch ziemlich toll im Gloria zu spielen! Auf der letzten Tour sah das noch ganz anders aus, da war in Köln Station im Gebäude 9. Auch ne gute Location, wie ich finde, aber das Gloria ist dann doch eine Ecke größer. Und der Sound im Gebäude ist auch nicht wirklich prima. Der war dafür am Montag wirklich sehr gut. Und Amy Millan, singt einfach schön! Auch wenn sie dem Publikum etwas zu oft den Rücken drehte. Das lag aber vielleicht auch daran, dass die Band so viele Zuhörer auf einmal noch nicht so gewohnt sind. Wer die Stars (Homepage der Band) nicht kennt, sollte unbedingt mal reinhören. Geht ein bisschen quer durch mehrere Stilrichtungen, Indie mit leichtem Trip-Hop Touch und das alles ein wenig poplastig. Aber toll!

Und Rocky Votolato (hier der Link zu seiner Homepage), ganz was anderes und trotzdem auch ein richtig gutes Konzert. Als Solokünstler mit Mundharmonika und Gitarre macht er als leicht punkiger Songwriter richtig Stimmung. Obwohl's für meinen Geschmack auf Grund der Location in einem movie-theater etwas zu ruhig war. Sitzkonzert, das passte schon, aber die Atmosphäre eines Kinos verleitet glaube ich zusätzlich zum andächtigen Schweigen. Andererseits, will ich ja auch die Lieder hören und nicht das Gebrabbel von Nebenan. Das war zum Beispiel bei der Vorband der Stars im Gloria etwas nervig.
Rocky spielte querbett aus seinen Songs. Von welchen Platte die jeweils waren, weiß ich gar nicht genau, dazu hatte ich die Lieder noch zu wenig gehört. Das wird sich jetzt ändern!


Bilder von: http://puddlegum.net und http://jerusrockblog.blogspot.com/

Freitag, 8. Februar 2008

Exit Ghost, Abschlussbetrachtungen

Eben habe ich den Roman fertiggelesen und kann meine Begeisterung die ich Anfangs hatte auch am Ende bestätigen. Es hat zwar eine Weile gedauert bis ich das Buch gelesen hatte, aber das lag nur daran, dass ich einfach selten dazu kam. Wenn ich das Buch in der Hand hatte war ich jedesmal in den Strom der geschichte gerissen. Gelesen habe ich das Buch, so wie meine Postings erschienen sind mehr oder weniger in drei Zügen. Anders als bei vielen anderen, wurde ich beim Lesen abends im Bett jedesmal von der Lektüre wachgehalten und wollte kaum damit aufhören.

Aber worum geht's jetzt im Ganzen, was sind die Themen? Nathan Zuckerman, ein Schriftsteller nahe dem Ende seines Lebens, lässt dieses nocheinmal an sich vorbeiziehen und wird nocheinmal in den Sog der Jugend ein Leidenschaft gerissen. Eigentlich hatte er mit allem gebrochen, wollte seinen Lebensabend in Abgeschiedenheit und ausschließlich auf's Schreiben konzentriert verbringen, doch seine Inkontinez triebt in zurück nach New York wo er sich von einem Spezialisten behandeln lässt.

Hier trifft er auf das New Yorker Schriftstellermilieu, das früher auch der Ort seines Lebens war. Richard Kliman, sein Gegner, verkörpert für ihn die jugendliche Kraft und den Idealismus, den er selbst schon lange aufgegeben hatte. Auch Billy Davidoff und Jamie Logan, die sich so emphatisch einen Politikwechsel wünschen, zeichnen seine eigene vergangene politische Begeisterung und Aktivität nach. Auch sein sexuelles Verlangen nach Jamie zeichnet den letzten Wunsch nach zurückkehrender Jugendlichkeit wider.

Dagegen die Biographie, die Kliman über seinen verstorbenen Schriftstellerfreund schreiben will, führt ihm selbst sein eigenes Alter nur zu sehr vor Augen. Was geschieht mit einem Schriftstellerleben nach dem Tod. Ein Biograph, der keinerlei persönliches Verhältnis zu Lonoff hatte beansprucht für sich dessen Leben nachzuzeichnen und so das abschließende Bild eines Lebens zu entwerfen. Zuckerman Aversion gegen dieses Vorhaben gründet sehr stark im Bewusstsein seines eigenen bevorstehenden Todes und der Unsicherheit, was aus seinem Leben dann gemacht werde.

Der Roman Exit Ghost ist ein Buch über die Selbstreflektionen im Alter. Die Geister der Jugend die einen noch immer nicht loslassen wollen. Das kommende Ende, und die Angst was die Welt aus dem eigenen Selbst danach machen wird.
Daneben noch das sexuelle Verlangen eines alten Mannes nach einer jungen Frau. Ganz sicher ein Thema, dass schon unzählige Male in Romanen strapaziert wurde und daher auch sicherlich keine überragenden neuartigen Ideen ermöglicht. Für Roth selbst gehört das Thema schon zum Standardrepertoire. Trotzdem, ich bin der Meinung ein Thema muss nicht unbedingt neu sein, um gute Literatur zu ermöglichen. Ja es spricht, wie ich meine, sogar für einen Schriftsteller, dass immer wieder das eigene, persönliche Thema in die verschiedenen Werke hervortritt.

"Und irgendwann würde ich ebenfalls sterben, wie Amy, wie Plimpton, wie Lonoff, wie alle, die ihre Taten vollbracht und ihre Aufgabe erfüllt hatten und nun auf dem Friedhof lagen, allerdings nicht ohne mich zuvor an den Tisch am Fenster zu setzen, hinauszusehen in das graue Lich eines Novembermorgens, über den vom Schnee gepuderten Weg zum stillen, von Wind geriffelten Wasser des Sumpfes, das an den Rändern, wo die faulenden, skelettartigen Stengel des rispenlosen Schilfs standen, bereits überfror, und in meinem sicheren Hafen, wo keiner dieser New Yorker Menschen mehr zu sehen war - und bevor mein nachlassendes Gedächtnis mich vollends im Stich ließ -, die letzte Szene von Er und Sie zu schreiben."

Exit Ghost, Lesetagebuch - Teil 3

Nun der dritte und letzte Teil meiner Lesereise. Es hat zwar ein bisschen gedauert, was aber auf keinen Fall ein Zeichen für einen schwachen Roman ist. Es waren einfach nur die bereits vorher genannten Gründe.

Richard Kliman versucht noch immer Zuckerman für sich zu gewinnen und erhofft sich dessen Unterstützung. Kliman hatte von Amy Belette, vor der Operation ihres Hirntumors erfahren, dass Lonoff in seiner Jugend ein inzestöses Verhältnis mit seiner älteren Halbschwester hatte. Auf dieser Tatsache beruhend möchte er noch immer die Biographie über Lonoff schreiben, aber auch, da er den Autor Lonoff verehrt und ihn vor dem Vergessen bewahren möchte.
Auch Zuckerman verehrt er als Autor, was wohl der entscheidende Anlass für ihn ist, ihn für sein Vorhaben gewinnen zu wollen. Zuckerman dagegen empfindet immer nur Abscheu vor Klimans jugendlichem Enthusiasmus und dessen Gefühl der Unbesiegbarkeit. Er verweigert sich der Mitarbeit konsequent, sieht in Kliman sich selbst als sein jugendliches Alter Ego und die biographischen Enthüllungen die Kliman anstrebt, lassen in ihm die Befürchtung möglicher Enthüllungen in seinem eigenen Leben wach werden.

Er baut dagegen während seines Aufenthalts in New Yorker ein immer leidenschaftlicheres Begehren nach Jamie Logan auf. Im Hotel verfasst er fiktive Dialoge zwischen Jamie und ihm, in denen er seinem Verlangen nach ihr den Raum gibt, den es in seinem realen Leben nicht mehr geben kann.