Montag, 24. März 2008
Die Wohlgesinnten in der Blogosphäre
Hier erstmal eine kleine Auswahl. Lesen muss ich die einzelnen Beiträge selbst noch, daher noch keine inhaltlichen Kommentare an dieser Stelle:
Der Blog Die Dschungel. Anderswelt. beginnt seine Lesenotate mit diesem Beitrag. Bei Salomes Bücher beginnt Esther hier ihr Lesetagebuch. RomArtLog liest nicht selbst, verweist aber in zwei Beiträgen auf die verschiedenen Pressereaktionen. Ein positives Urteil über den Roman kann man auf dem Blog im blickfeld lesen.
Lesetagebuch, Max Aue trifft Thomas (S. 79)
Es ist eklig und makaber! Während nebenan vergewaltigt, gefoltert und gequält wird, sitzt Max Aue mit einem Hauptmann beim Kaffeeplausch oder trifft sich mit anderen zu gutem Essen und Wein, wobei sie über den "gerechten Volkszorn" lachen (S. 93). Gemeint sind die Massaker an Juden und Bolschewiken zu denen die Ukrainer von den Deutschen angestachelt wurden. Hier trifft die Aussage, das Werk sei pornographisch, ganz gut!
Max Aue trifft Thomas, den er aus Berlin kennt und mit dem er gemeinsam in Frankreich war. Am Verhältnis der beiden lässt sich Aue ein wenig charakterisieren. Er wird als ehrlich und pflichtbewusst dargestellt. Ein Naivling, der seinen Dienst gut tun will und nicht damit rechnet, dass "man augerechnet Juristen auswählen würde, um Menschen ohne Prozess zu umzubringen" (S. 88). Hat nicht Max Aue im Prolog noch gesagt, er wolle keine Rechtfertigung und Entschuldigung seines Handelns abgeben?
Der Antisemitismus, so vermittelt es Littell, wird bei ihm rein durch der Propaganda seiner Vorgesetzten geweckt, da den Juden für alle möglichen Dinge die Schuld gegeben wird. Solche Züge verstören mich als Leser. Einerseits weiß ich, dieser Mensch ist ein skrupellloser Massenmörder, andererseits lese ich seine Geschichte, immerzu aus seiner persönlichen Perspektive, komme also gar nicht umhin mit seinen Augen zu sehen.
Thomas, der alte Kamerad, dessen Erscheinen den Icherzähler zu einem Rückblick veranlasst, ist nichts anderes als eine karrierefixierte Nazisau! Er hat keine Probleme mit der Wahrheit, schreibt seinen Bericht über Frankreich, anders als Aue, so wie Heydrich ihn gerne zu hören bekommt. Dafür wird er mit Beförderungen und "guten" Posten belohnt! Später holt er dann Aue für den Russlandfeldzug wieder ins Boot. "Du wirst sehen, es wird lustig." sagt er zu ihm. Lustig!? Aue, in seiner postfaschistischen Reflektion: "So vergrößert der Teufel sein Reich, so und nicht anders." (Beides S. 88). Auch darin wieder ein trickreicher und professioneller Griff des Autors Littell, dem Leser einen Funken Sympathie für den Mörder zu suggerieren.
Max Aue bewundert Thomas, fühlt sich zwar manchmal verletzt von dessen Zynismus, andererseits empfindet er im auch häufig erfrischend. Das übrigens, Aues Gedanken, als Thomas ihm kurz zuvor über die tatsächlichen Umstände der Pogrome aufgeklärt hatte. Thomas Hauser hatte er kennengelernt, als er in Berlin beinahe wegen seiner Homosexualität Probleme bekommen hatte. Thomas musste ihn nur etwas erpressen, ihm die bevorstehenden Unannehmlichkeiten darlegen, und Aue entschloss sich zum Eintritt in den SD.
[weiter zum 3. Teil]
Sonntag, 23. März 2008
Top 100 der Musikvideos
Markus Kavka präsentiert im Magazin Zuender der Zeit seine Top 100 der Musikvideos, die man sich auch alle auf YouTube anstehen kann. Sehr schöne Sammlung! Viel Spaß beim gucken...
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Bildquelle: www.zeit.de
Die Wohlgesinnten, Lesetagebuch eröffnet!
Ich bin mir noch nicht ganz sicher, in welcher Form ich mein Lesetagebuch in diesem Fall gestalten werde. Sonst hatte ich immer kurz den Inhalt wiedergegeben und dazwischen meine persönlichen Eindrücke und Leseerfahrungen platziert. Das ist zum Einen wegen des mächtigen Umfangs von Littells Roman schwierig. Vor allem aber, weiß ich nicht, ob ich, angesichts der schrecklichen Verbrechen, die in dem Buch minutiös geschildert werden, und der Tatsache, dass der Protagonist selbst einer der Verbrecher und Mörder ist, mit dieser, gewohnten Form der Darstellung einverstanden sein kann und ob sie mir sinnvoll erscheint. Ich denke da werden sich einige Konflikte auftun. Trotzdem möchte ich das Buch behandeln. Als literarisches Werk, aber auch in Bezug auf die Verbrechen des Holocaust, die hier als fiktive Erzählung erscheinen. Ich werde es als work in progress selbst erfahren müssen.
Der Roman Die Wohngesinnten beginnt mit einer Vorrede, von Littell Toccata genannt, des altgewordenen Max Aues. Wie in einem einzigen, teilweise wirren Gedankenstrom berichtet der Icherzähler, wieso er jetzt im Alter, wo er doch beruflich gefestigt und unbescholten, seinen Posten in einer französischen Fabrik hat, diesen Lebensbericht schreiben möchte. Er will sich nicht entschuldigen, nicht rechtfertigen, nicht erklären, das sagt er, doch genau das versucht er. Indem er jede persönliche Schuld von sich weißt, darauf besteht, dass jeder andere auch so gehandelt hätte. Er schweift über die Philosophie, über seine pedantischen Rechnereien, wie viele Tote der Krieg pro Woche, pro Tag, pro Stunde und Sekunde gefordert hatte, hin und her, persönliche Erfahrungen gemischt mit allgemeinem Gerede. Und immer wieder: Ich bin wie Ihr!
Jetzt werden wir LeserInnen hineingeworfen in das Kriegsgeschehen der Ostfront, und mit uns, so erscheint es, einige junge und unerfahrene SS-Offiziere unter denen sich Max Aue befindet. Nahe bei Lemberg, zu Beginn des Kriegs gegen die Sowjetunion, soll ihnen das Töten gelehrt werden. Schon hier, erschreckende, grausame Szenen: Ein Massaker hat stattgefunden, ob von der Sowjetarmee oder der Wehrmacht verübt, die Juden sollen es gewesen sein, und für jeden Toten soll einer erschossen werden. Zu zweit, kein Schütze soll sich persönlich verantwortlich fühlen. Die will auch keiner übernehmen. Als der Standartenführer Bobel im Fieber, betrunken ausrastet und ins Krankhaus gebracht wird, will keiner das Kommando übernehmen.
Für den "Vergeltungsakt", die Erschießung von über tausend Menschen, sollen diejenigen genommen werden, die sich freiwillig auf die Plakataushänge melden, die zur Versammlung der ansässigen Juden aufrufen. Max Aue findet das ungerecht! Die Feiglinge kommen davon, diejenigen aber, die guten Willens "den Worten des Deutschen Reichs glaubten" würden sterben! Auch, dass er selbst den Befehl erhalten hatte, nach Lemberg zu fahren um beim Brigadeführer Befehle zu empfangen, wurmt ihn, da er sich seiner Verantwortung nicht entziehen möchte. Wenn Erschießungen stattfinden sollen, will er sich der Pflicht stellen!
Dagegen fährt er am frühen Morgen nach Lemberg, das wenige Tage zuvor von der Wehrmacht eingenommen wurde. Blutige Szenen werden dargestellt, Menschen werden gequält und vergewaltigt, Häuser wurden geplündert. An einer armendischen Kirche vorbekommend, bittet ihn ein Priester um Hilfe, da Ukrainer über in der Kirche Schutz suchende Juden hergefallen sind. Aue tut nicht viel, jedoch erreicht der Priester mit seiner Anwesenheit das Ende der Torture. Für die meisten zu spät. Aue hilft einen schwer verletzten Menschen auf eine Bank zu legen, spricht kurz mit dem Priester, dann wendet er sich ab und geht weiter.
[weiter geht's hier]
Freitag, 14. März 2008
So viel Zeit, vorbei....
Nun mal wieder, soviel Zeit muss sein, zurück zu Frank Goosens Roman. Hier geht’s zum ersten und zum zweiten Teil meiner bisherigen Lesenotizen.
Anscheinend hatte ich, ganz unbewusst, beim letzten Mal meinen Lese- und Berichtstopp genau an der richtigen Stelle gemacht. Zumindest für mein persönliches Empfinden. Zwar war auch vorher die Story interessant und unterhaltsam, aber ich konnte und wollte doch nicht ganz verbergen, dass es mir im ganzen doch ein bisschen zu sehr inszeniert und gekünstelt wirkte.
Genau an der Stelle jedoch, an der ich nach meinem Umzug das Lesen wieder aufgenommen hatte (es war Kapitel 25) gewinnt der Roman noch mal richtig an Fahrt und wird im letzten Drittel ziemlich toll. Seltsam eigentlich! Ich war bisher der Ansicht, wenn die ersten 100 Seiten es nicht packen wird es auch der Rest nicht schaffen. Obwohl ich trotzdem leider zu oft dazu neige, etwas Angefangenes auch zu Ende bringen zu wollen. Also, beim Lesen von Romanen, woanders kann standhafte Ausdauer doch ziemlich hilfreich sein. Nun bei der Fülle von Romanen frage ich mich oft, wieso ich eigentlich noch immer an demjenigen lese, der mich doch schon seit Tagen quält! Ganz schön mutig Herr Goosen! Ich kann nur allen empfehlen in diesem Fall, auch wenn es einigen auf den ersten Seiten ähnlich gehen mag wie mir, weiterzulesen, das Ende wird sich lohnen. Für mich jedenfalls. Ich wäre froh dazu auch die Meinung von anderen zu hören.
Und woran liegt’s? Geändert hat sich doch eigentlich nicht viel. Noch immer versuchen ein paar Mittvierziger mittels einer Rockband ihre verblasste Jugend wieder zu beschwören. Aber genau das wird eben jetzt auch im Roman zum Thema. Das genau dieses zurückholen der Jugend eben so nicht geht. Und so werden die Jungs dann doch noch authentisch. Rainer bekommt von seinem Sohn David eine Belehrung, dass das alte Rocker-Shirt aus Teeny-Zeiten gar nicht geht, und sieht es ein.
Kurz darauf die ersten Auftritte. Alles nur Übung für den einen Großen: Das Klassentreffen! Aber egal! Der erste läuft gleich wie geschmiert. Was nicht an der Qualität der Musik liegen muss, sondern viel mehr an der Dumpfheit der Bespielten. Ein Tennisclub erhält die Ehre! Aber immerhin! Bulle landet gleich ganz schwer bei einer Dame namens Angelika und fängt mit ihr was an. Nicht ohne Schwierigkeiten, da noch immer Schuldgefühle gegenüber seiner an Krebs gestorbenen Frau an ihm nagen.
Mittlerweile hat sich bei Konni zuhause – der übrigens anders als zuvor einmal vermutet katholische Religion und Bio unterrichtet. Mit Deutsch lag ich also daneben. – eine Rocker-WG entwickelt. Thomas der Ärger mit seiner Freundin hatte, Rainer, nachdem er seine Frau nun doch wirklich mit einer anderen betrügt und natürlich Ole. Konni übrigens, angetrieben durch sein gestärktes Ego nach dem ersten Auftritt, schnappt sich seine Kollegin Ursula und hat damit auch wieder was am Laufen. So tut sich bei fast allen etwas in der Liebe. Allen bis auf Ole. Der hat anscheinend ohnehin mehr davon anderen beim Leben zuzusehen als selber mitzuspielen.
Eines ist jedoch entscheidend und hier liegt auch der Grund, weswegen mir das letzte Drittel so gut gefällt: Die Charaktere werden gerade jetzt am Ende richtig lebendig, echt und authentisch. Jeder einzelne von ihnen erhält ein Gesicht und wird damit sympathisch. Konni, der mutlose Lehrer, dem die Band neue Kraft gibt. Rainer und Bulle, die beiden eher starken und gefestigten Persönlichkeiten in der Runde lösen sich von vergangenem. Bulle nimmt Abschied von seiner verstorbenen Frau und Rainer löst sich aus einer Beziehung die schon lange zerstört war.
Thomas ist ein unsicherer Charakter, ähnlich wie Konni. Er fühlt sich ohnehin ein wenig am Rande, da er jünger ist als die anderen und viele Erinnerungen nicht mit ihnen teilt. Getrennt von seiner Freundin und beruflich erfolglos, verliert er zunächst alle Kraft. Auch die Band ist für ihn nicht der Antriebsmotor, anders als bei den anderen. Erst als Corinna am Ende wieder auf ihn zugeht – er selbst hatte sich das zuvor nicht getraut – gibt ihm das die Kraft wieder zu schreiben. Und Ole? Er ist der verschlossenste Typ. Erst ganz am Ende wird ein Geheimnis um ihn Preis gegeben, das schon seit Jahren an ihm fraß und ihn mit Schuldgefühlen plagte.
Ja und was noch: Ach ja, der Titel und damit auch irgendwie das Motto des Romans erhält in diesem starken letzten Drittel mächtig Rückenwind. So bedauert Angelika So viel Zeit die sie an der Seite eines anderen verbrachte. Brigitte dagegen hat Angst vor So viel Zeit die ihr noch bleibt, jetzt da sie von Rainer betrogen und verlassen, nurmehr als Mutter, anstatt als Frau, im Leben zu stehen meint. Und auch für die Jungs selbst wird So viel Zeit zunehmend zum Thema. Das wird ihnen spätestens beim Klassentreffen endgültig klar. Ziemlich fremd sind ihnen viele andere, auf deren Wiedersehen sie sich zuvor gefreut hatten, geworden. Wen wundert’s? Wohl eher die übliche Erfahrung der meisten Klassentreffen.
Fazit: So viel Zeit ist es nicht die man mit dem Roman verbringen muss. Er liest sich sehr gut und schnell. Wenn man sich denn die Zeit dafür nimmt. Wie ich anhand meiner Beiträge hier sehe brauchte ich einen ganzen Monat dafür. Wie gesagt, den Anfang fand ich etwas schleppend und konstruiert, jedoch macht das Ende richtig Spaß. Also diesmal am Ball bleiben, es lohnt!
Die Einheit der Projekte
Vor einiger Zeit hatte ich mir mal ein paar Gedanken übers Bloggen und darüber wie es hier weitergehen soll gemacht. Um ein bisschen mehr Struktur und thematische Ordnung zu erhalten, habe ich mich entschieden das ganze auf mehrere Projekte zu verteilen.
Das ist der eine Grund, ein anderer ist, dass ich auch mit anderen Anbietern Erfahrungen sammeln wollte um mit einen Überblick über die unterschiedlichen Features zu ermöglichen. Gewagt, mögen vielleicht einige denken, wo doch viel frequentierte und häufig aktualisierte Blogs meist nicht nur von einem, sondern von mehreren Verfassern mit Inhalten gefüttert werden. Wie will ich es alleine schaffen auf mehren Blogs ständig neues zu schreiben, was sicherlich wichtig wäre um im Ranking der Blogsphäre einen Platz an der Sonne zu erhalten.
Doch mein Anspruch ist eben ein anderer. Ich schreibe daher vielmehr in recht loser Reihenfolge, mal hier mal dort, für mich selbst und alle Interessierten. Nicht auf die Häufigkeit der Einträge kommt es an. Dank verbesserter Suchmaschinen, die sich aufs Suchen in Blogs spezialisieren steigt außerdem die Hoffnung, dass auch nach längerer Zeit ein bestimmter Eintrag zu einem Thema bei Interesse noch gefunden wird.
Worum handelt es sich nun? Die Teilnehmenden Beobachtungen, der Blog auf dem wir uns hier befinden, soll, wie wohl in der letzten Zeit schon klar geworden ist, thematisch dem kulturellen Leben gewidmet sein. Natürlich nicht dem gesamten, sondern lediglich dem kleinen Teil den ich mir aus der Masse picke und für kommentierenswert empfinde. Die Auswahl spiegelt teilweise mein Interesse, teilweise ist sie sicherlich auch zufällig. Denn wie könnte ich auch nur, in dem auf mein Interesse stoßenden Teil des Ganzen, irgendeine Vollständigkeit erreichen? Ich möchte zunächst kommentieren, freue mich aber sehr über jede Diskussion die sich ergibt, hier und im Kontakt mit anderen Blogs.
Daneben habe ich auf Wordpress zwei Blogs eingerichtet. Auf diesem hier, wollte ich zunächst einen Raum schaffen, um meine Bookmarks bei delicious über den knappen Raum der dortigen Textbox hinaus zu kommentieren und vielleicht sogar diskutieren. Das werde ich auch sicher tun, daneben aber sollen dort ab sofort auch alle weiteren politschen und gesellschaftlichen Themen des Tagesgeschehens kommentiert werden, die auf mein Interesse treffen.
Der zweite, Schichtstufen, bis jetzt noch eher spärlich bepostet, soll spezieller den – im weiteren Sinne – geographischen und/oder wissenschaftlichen Themen vorbehalten sein. Ähnlich wie auf diesem hier, will ich dort Bücher besprechen und zusammenfassen. Eigene Essays zu verschiedenen Themen sowohl physischer als auch sozialwissenschaftlicher Geographie. Aber auch all das, was mich aus anderen Richtungen interessiert. Politik ganz sicher, Soziologie, Ökologie, Philosophie und was auch immer.
Hört sich verwirrend an? Hm, ich hoffte eigentlich ein bisschen mehr Überblick zu bekommen. Nur werden sich sicherlich oft auch Beiträge thematisch überschneiden. Die werde ich dann spiegeln, oder jedenfalls verlinken. Ist doch super, immerzu fleißig für mich Selbst zu werben! Vorerst bleibt es bei dieser Ordnung, ich werde sehen wie es sich entwickelt. Ein Projekt ist ja auch immer ein Versuch. Zu finden sind die beiden anderen Blogs ab sofort in meiner Blogroll. Viel Spaß beim Lesen!
Mittwoch, 5. März 2008
Kurzer Zwischenstopp
Sonntag, 2. März 2008
Samstag, 1. März 2008
Musiktipp des Tages!
Anclicken und bei last.fm landen. Viel Spass beim Hören! Und hier geht's zum Bandprofil auf myspace.
So viel Zeit, Lesetagebuch - Teil 2
So viel Zeit ist, soviel kann ich jetzt nach etwas über 200 Seiten sagen (ja, wie gesagt, ich lese langsam und gemächlich!) ein witzig geschriebener Unterhaltungsroman. Das ist nicht abwertend gemeint, mir gefällt das Buch, vom Hocker reißt es mich allerdings nicht und ich bin auch nicht regelrecht gefesselt. Was man ja auch am Lesefortschritt bereits erkennen kann.
Die 4 Jungs - die sie gerne noch wären mit ihren 40 Jahren und mehr - beschließen also die Rockband zu gründen, von der sie schon im Teenageralter geträumt hatten. Das fünfte Mitglied und damit der unersetzliche Part einer "richtigen Rockband" muss allerdings erst aus Berlin geholt werden. Ole, der schon frühere Kopf der Clique und auch in der Band wieder der heimliche Leader, schlägt sich mittlerweile in Berlin mehr schlecht als recht durchs Leben. Ein Kind mit einer Frau die nichts von ihm wissen will, er selbst lebt in einem Prenzelberger Hinterhaus von Hartz IV, seine Matraze auf zwei Paletten und die Unterhosen noch aus der Teenagerzeit. Irgendwie hört sich das leider ein wenig klischeehaft an und so ist es auch.
An dieser Stelle kann ich auch die anderen mal kurz charakterisieren. Im Jokers Bücher-Wiki schreibt jemand, sie steckten nicht in einer Midlife Crisis. Nun, ein schwammiger, und wie ich finde dämlicher, Begriff ist das ohnehin, aber wenn er irgendeinen Inhalt hat, dann trifft er auf einige der Jungs garantiert zu. Also Midlife Crisis, na klar!
Rainer, gut verdienener Steuerberater, Haus, Ehefrau Brigitte und zwei Kinder (Tocher und Sohn). Eigentlich könnte alles gut laufen, doch Brigitte nagt an zunächst unbegründeter Eifersucht und auch insgesamt wirkt die Familie ein bisschen entfremdet. So fängt Rainer irgendwann eine Affäre mit der Auszubildenen seiner Steuerkanzlei an, wohl um seiner Frau endlichen einen Grund für ihre Eifersucht zu geben. Und zu einem echten Rochstar gehört eben Sex mit jungen Damen genauso dazu wie Zigaretten und Alkohol. Dass sie es drogentechnisch dabei belassen wollen, hatten sie während der Bandprobe entschieden.
Bulle, Arzt in der Krebsstation irgendeines Krankenhauses. Seine Frau Marianne ist vor einiger Zeit selbst an Krebs gestorben. Das frisst an ihm. Er hat seine Frau geliebt, vermisst sie und hat diffuses Schuldgefühle weil er ihr nicht helfen konnte. Seine beiden Töchter leben bei ihm und neuerdings auch der aus Berlin zurückgeholte Ole.
Konrad Beckmann, besser bekannt als Konni, Deutsch- und Religionslehrer (wenn ich mich richtig erinnere). War gerade mitten am Hausbau als seine Frau in wegen eines anderen verlassen hatte. Jetzt sitzt er da, die halbfertige Hütte, ohne Frau und einigermaßen deprimiert. Eine junge Kollegin interessiert ihn ein wenig, doch traut er sich noch nicht so richtig an sie heran.
Und zuletzt Thomas, der etwas jüngere, nicht aus der ursprünglichen Schulclique stammende, aber jetzt treuer Doppelkopfkollege und neuerdings Bandmember von Mountain of Thunder (der verunglückte Name der Band). Er war einmal etwas erfolgreich als Romanschreiber. Doch die Zeiten sind vorbei, jetzt hält er sich mit literarisch wertvollen Bildbeschreibungen für Pornoheftchen oder Internetbildergeschichten über Wasser. Mit seiner wesentlich jüngeren Freundin Corinna läuft es, abgesehen vom Sex, auch nicht besonders. SIe stresst gerne mal rum, wenn er mit seinen Kumpels Doppelkopf spielt und dabei geraucht und getrunken wird.
Und da stehen wir jetzt. Mitten in der Geschichte. So langsam wird das mit der Musik auch was. Mountain of Thunder haben ein paar Stücke drauf und wollen sich demnächst an den ersten Auftritt wagen um sich vorzubereiten auf den großen Gig beim Stufentreffen der alten Gymnasiums.
Wie gereits gesagt, der Roman liest sich gut und ist stellenweise auch richtig witzig. Bietet auch interessante Einblicke in Männerfreundschaften und deren Gedanken und mögliche Probleme im fortschreitenden Alter. Der Kampf gegen das Alter und der Versuch die Jungend zurückzuholen. Was soll das sein, wenn keine Midlife Crisis? Fühlt sich nicht sogar der jüngere Thomas an einer Stelle seltsam, weil er darüber nachdenkt, dass er vielleicht die Hälfte seines Lebens schon gelebt hat ohne bisher großes erreicht zu haben. Er dachte dabei gerade über eine Alternative zu Klitoris und Kitzler nach.
Was mich etwas stört an der ganzen Sache: Es ist alles ein wenig klischeehaft. Die Jungs fahren nach Berlin und bekommen an der Raststätte Ärger mit ein paar Proleten die sie dann jagen und am nächsten Stopp gibt's ne kleine Schlägerei. Ja sicher! Sehr glaubhaft. Aber ein paar Handgemenge dürfen in einer echten Rockband eben auch nicht fehlen!
Soweit bisher, mal sehen was die letzten 150 Seiten bringen...
[und weiter zum Ende, dem 3. Teil]